Nicht alle Ruinen der Maya sind pittoreske Tempel wie in Palenque, Tulum und Chichén Itzá, wo Pyramiden oder andere gewaltige Bauwerke an mitunter schwer zugänglichen Stellen auf der Halbinsel Yucatán gebaut wurden.

Manche der bis heute am wenigsten erforschten und damit geheimnisvollsten Kultstätten des um 3000 bis 9000 Jahren vor unserer Zeitrechnung erstmals dauerhaft auf dem Gebiet der heutigen Staaten Mexiko, Guatemala, Belize und Honduras siedelnden Volkes verstecken sich vielmehr in Hunderten von Metern Tiefe. Teils natürliche, teils von Menschenhand zusätzlich ausgebaute unterirdische, größtenteils von Wasser überschwemmte Cenoten. Die mystischen Lebensadern der Maya tief unter der Erdoberfläche.

Ein über Hunderte von Kilometern verbundenes Höhlensystem. Abgeleitet von dem Mayathan-Wort „ts’o’noot/tzonot“ werden diese seit der letzten Eiszeit durch stetige Mischungskorrosion von Süß- und Salzwasser zunächst als Hohlräume, dann durch Deckeneinbruch entstandenen offenen und mit Wasser gefüllten Kalksteinlöcher heute im oben genannten Gebiet auf spanisch „Cenotes“ genannt. Hierzulande sind Bezeichnungen wie Cenoten, Einbruchdolinen, Karsttrichter und Sinkhölen geläufig.

Trinkwasserreservoir, Kultstätten und „Ort der Angst“

Aufgrund der trotz hoher jahreszeitlicher Niederschläge massiven Versickerung und damit weitgehenden Abwesenheit natürlicher und ausreichend Wasser oberirdisch führenden Fließgewässer in der Region, nutzten die Maya die Reservoirs und Regenauffangbecken schon früh zunächst als Trinkwasserspeicher.

Im Laufe der Jahrhunderte und der immer genaueren Erkundung durch bis heute beeindruckende Tauchgänge dann zunehmend auch als weit abgelegene und mitunter massiv ausgebaute unterirdische Kult-, Opfer- und Beerdigungsstätten.

Einschlägig hierfür bekannte Höhlen sind etwa die sog. „Cenote Sagrada“ (Heilige Höhle) nördlich von Chichén Itzá mit ihren bislang dort zu Tage geförderten über 100 menschlichen Skeletten sowie Edelsteinen und Schmuckstücken.

Höhle in Dschungel

Ebenso bekannt ist die „Cenote Calavera“ (Totenkopfhöhle) mit ebenfalls zahlreichen Überresten nahe Tulum, der einzigen bisher bekannten Mayafestung direkt am Meer. Diese Höhle nahe des Dorfes Tahtzibichen bei Méridakönnte laut des international renommierten Cenote-Experten und archäologischen Höhlentauchers Guillermo de Anda von der Universität Yucatán der im heiligen Buch der Maya „Popol Vuh“ beschriebene Eingang zum Ort der Angst „Xibalba“ sein.

Dunkel, tief und verschlungen – Cenoten in Yucatán

Heute werden in den unheimlichen Höhlen natürlich keine Menschen mehr geopfert, ganz und gar ungefährlich sind die weitverzweigten Wasserläufe aber bei Weitem speziell für die sie immer genauer erforschenden Taucher nach wie vor nicht. Zumeist herrschen dort komplette Dunkelheit und bedrückende Enge, aufwirbelnde Sedimente erschweren die Sicht und die enormen Tiefen erfordern manchmal ein spezielles Sauerstoff-, Stickstoff- und Heliumgemisch.

3000 bis 5000 Cenoten gelten bislang als bekannt, insgesamt werden bis zu 10 000 auf der Halbinsel vermutet.

Zu den bislang am besten erkundeten und längsten Systemen gehören Sac Actun (Weiße Höhle), Dos Ojos (zwei Augen) und Ox Bel Ha (drei Wasserpfade). Die beiden Erstgenannten sind miteinander verbunden (Nohoch Nah Chich) und bilden mit 311 Kilometern Gesamtlänge die längste Höhlenstrecke vor der zweitplatzierten „Ox Bel Ha“ mit gut 256 Kilometern.

Gemäß der massiven touristischen Ausrichtung des gesamten Bundesstaats Quintana Roo speziell an der „Riviera Maya“ zwischen Cancún, Playa del Carmen, den Islas Mujeres und Cozumel sowie der Hauptstadt Chetumal sind natürlich auch die großen bekannten Cenotensysteme fest in das entsprechende Angebot vor Ort integriert, d.h., ihre Nutzung ist größtenteils kostenpflichtig.

Eine versteckte Welt mit erfahrenen Profitauchern kennenlernen

So befinden sich etwa auf dem Privatgelände des „Hidden Worlds Cenotes Park“ am Highway 307 etwa 15 Autominuten nördlich von Tulum die auch aus Funk, Film und Fernsehen bekannten Cenoten „Takbeha“, „Takbelum“, „Hilarios`Well“, „Eden“, „The Church“, „Paradise“ und „Hell“. Eine gut vierstündige geführte Tour kostet ca. 130 Dollar.

Für Taucher ebenfalls zugänglichen sind die Cenoten „Bat Cave“, „Sistema Dos Ojos“ (Zwei Augen), „West Eye“, „Car Wash/Aktun Ha“, „Luke’s Hope“, „Cristal/Naharon“, „Two Palm Trees/Dos Palmas“, „Dream Gate“, „Giant Birdhouse“, „Manatee“, „Taj Mahal“ sowie „Turtle/Tortuga“.

Diese und weitere Höhlen von „Dos Ojos“ und „Chac Mool“ können auch mit der von dem professionellen deutschen Taucher Stefan Ullrich geleiteten Tauchbase „Cenote Adventures“ in Playa del Carmen erkundet werden. Die Preise für alle Cenotentauchgänge inklusive Eintritt und Transport, einer Lampe, einer Flasche, Blei sowie Sandwich und Softdrinks bewegen sich zwischen 120 und 150 Dollar, in den Gruppen befinden sich maximal 4 Taucher, die von geschulten und erfahrenen Guides geführt werden.

Welcher Cenote ist die tiefste?

Die „Sac Actun“ (Weiße Höhle) Cenoten kann man zum Beispiel über das „Xibalba Dive Center“ in Tulum kennenlernen, dessen Gründer Robbie Schmittner entdeckte im Jahr 2007 gemeinsam mit seinem Kollegen Steve Bogaerts übrigens die oben erwähnte Verbindung von Sac Actun mit Dos Ojos im Bereich Nohoch Nai Chich. Die tiefste Cenote dort ist „The Blue Abyss“ mit etwas über 100 Metern.

Noch nicht ganz so weit erforscht, aber teilweise bereits betauchbar sind die insgesamt 140 Cenotes von „Ox Bel Ha“ (Drei Wasserpfade) südwestlich von Tulum, mittlerweile erschlossene Verbindungen sind etwa diejenigen zwischen der Cenote Yaxchen und der Cenote Ma’Kai.